Liebe Mitbürger,

herzliche Grüße und Segenswünsche zum heutigen Fest Epiphanias / Erscheinung des Herrn. Wir feiern heute den Besuch der Weisen aus dem Morgenland beim neugeborenen König der Juden.

Nicht nur die einfachen Hirten finden zum Kind, sondern auch die Intellektuellen, die Wissenschaftler und Philosophen. Freilich ist deren Weg umständlicher, länger und mit größeren Schwierigkeiten verbunden, als der Weg der Hirten, die einfach auf die Stimme des Engels hörten und hinübergingen nach Bethlehem. Doch Gott schließt niemanden von seiner Liebe aus, weder die Armen noch die Reichen, weder die Klugen noch die Einfältigen, ihm ist jeder willkommen, der Seine Liebe mit Gegenliebe beantwortet.

So stehen die Weisen des Matthäusevangeliums, welche die Geheimnisse des sichtbaren Himmels erforschten und dem Stern folgten, für so viele Intellektuelle, die im Laufe der Jahrhunderte ebenfalls zum Gotteskind finden werden. Denken wir an die beeindruckenden Glaubenszeugnisse vieler Naturwissenschaftler. Vernunft und Glaube widersprechen sich nicht.

Und schließlich sind die Weisen auch die ersten Vertreter aus dem Heidentum, die den neugeborenen König der Juden ebenfalls als ihren Herrn und Erlöser anerkennen und anbeten. Ihnen werden im Laufe der Jahrhunderte „eine große Schar, die niemand zählen kann, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen“ folgen (vgl. Offenbarung 7,9). Und dieser gewaltige Zug ist noch längst nicht abgeschlossen. Gottes Liebe ist universal, sein Ruf ergeht auch heute an alle Menschen, gleich welcher Herkunft.

Diese Einheit und gleichzeitig Vielfalt im Glauben hat sich in Europa, wie so oft im Jahreslauf, auch am Fest Epiphanias in vielen Bräuchen niedergeschlagen. In Irland beispielsweise feiert man den 6. Januar als „kleine Weihnacht“ („Little Christmas“ bzw. „Nollaig Bheag“). In Italien bekommen die Kinder noch einmal Geschenke, diesmal von „La Befana“, die keine Hexe ist, sondern die Personifikation des heutigen Festes – ihr Name „Befana“ leitet sich nämlich von „Epiphanias“ ab!

In Spanien wird das Fest ausgelassen und mit Straßenumzügen gefeiert, dort und in Frankreich ist es auch üblich, gemeinsam einen Kuchen zu verzehren, in dem eine Bohne oder eine kleine Figur versteckt ist. Wer sie findet, wird zum König ausgerufen und mit einer Papierkrone gekrönt. In Deutschland ziehen Kinder als Könige verkleidet von Tür zu Tür, singen, tragen Segenssprüche vor und sammeln für karitative Zwecke.

Einmal mehr zeigt sich an diesem Tag: Der christliche Glaube eint Europa und lässt zugleich Platz für regionale Mentalitäten und Besonderheiten. Ein einiges und gleichzeitig vielfältiges Europa ist nur unter Bezug auf seine christlichen Wurzeln möglich, darauf müssen sich die Staaten der EU wieder neu besinnen.

Darüber hinaus feiern heute die orthodoxen Christen, welche dem julianischen Kalender folgen, den Heiligen Abend und morgen den Weihnachtstag, denn nach diesem Kalender ist heute der 24. Dezember. Ihnen wünsche ich an dieser Stelle ein gesegnetes Weihnachtsfest. Möge der Gesang der Engel bei Christi Geburt endlich Wirklichkeit werden: „Ehre Gott in der Höhe und auf Erden Frieden den Menschen“! Mögen Ost und West geeint im Glauben an den Dreieinigen Gott endlich zueinander finden.

Herzliche Grüße

Ihr

Joachim Kuhs