Wolfgang Schäuble ist tot. Am zweiten Weihnachtsfeiertag sei er zu Hause friedlich entschlafen, wie seine Familie mitteilte. Der CDU-Politiker, ehemalige Bundestagspräsident und Bundesminister wurde 81 Jahre alt.

Als Bundestagsabgeordneter hält Schäuble einen einsamen Rekord: Mehr als 51 Jahre lang gehörte er dem Bundestag an, so lange wie kein deutscher Parlamentarier vor ihm. Mehr als ein halbes Jahrhundert nahm er an den politischen Debatten teil und setzte viele eigene Akzente. Unvergessen ist sein flammender Appell aus dem Jahr 1991 für Berlin als Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschland – eine Rede für die Geschichtsbücher.

Als Innenminister war er zuvor Verhandlungsführer für die Regierung Kohl bei der Aushandlung des Einigungsvertrags mit der DDR gewesen. Ohne Zweifel hatte er große Verdienste bei der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes. Auch lag ihm stets die Innere Sicherheit am Herzen – in diesem Punkt überschritt er mit seinen Vorschlägen allerdings öfter die Grenzen des rechtsstaatlich Zumutbaren.

Auch europapolitisch war Schäuble ambivalent. Einerseits plädierte er für mehr Zentralisierung und Abgabe nationaler Souveränität, andererseits forderte er ein „gesundes Nationalgefühl“ und Patriotismus auch in einem geeinten Europa. Dieselbe Zwiespältigkeit vertrat er in Sachen Migration. So war er gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, rechtfertigte aber Merkels Grenzöffnung und kanzelte Kritiker der Masseneinwanderung unwirsch ab.

Alles in allem wird Wolfgang Schäuble als sehr ambivalente Persönlichkeit in die deutsche Geschichte eingehen. Neben einigem Licht findet sich zweifellos auch viel Schatten. Im Grunde steht Wolfgang Schäuble stellvertretend für die CDU und deren Schwanken, irgendwie noch semi-konservativ sein zu wollen, während sie linke Politik vorantreibt. Für die Anliegen eines echten Patriotismus, der die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzunehmen bereit ist, hatte er kein Gespür.

Möge er in Frieden ruhen. Und überlassen wir Gott, dem Richter der ganze Erde, das Richten.

Ihr

Joachim Kuhs