Liebe Mitbürger,
am ersten Sonntag der Fastenzeit steht traditionell das Evangelium von der Versuchung Jesu (Matthäus 4, 1-11). Der menschgewordene Gottessohn war uns in allem gleich – außer der Sünde (vgl. Hebräer 4,15). Versuchungen blieben ihm nicht erspart, wie keinem von uns. Nicht die Versuchung, sondern die Antwort darauf ist entscheidend.
Schauen wir die letzte der drei Versuchungen Jesu an: „Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«“ (Matthäus 4, 8-10)
Der Widersacher bietet Jesus allumfassende irdische Macht an und fordert dafür Anbetung ein. Wir dürfen diese Versuchung nicht einfach nur als Angebot an die Befriedigung von Eitelkeit sehen. Macht zu haben, unbegrenzte universale Macht gar, kann verlockend sein, gerade für jemanden, der das Gute will.
Der christliche Autor J.R.R. Tolkien hat ein ähnliches Motiv in seiner berühmten Trilogie „Der Herr der Ringe“ dargelegt: Der Herrscherring des dunklen Herrschers Sauron verleiht dem, der ihn besitzt, ungeheure Macht, zieht seinen Besitzer aber unaufhaltsam in den Bereich des Bösen. An mehreren Stellen des Romans kommen auch die Feinde Saurons in Versuchung, sich den Ring anzueignen, um damit Gutes zu tun, Unrecht zu beseitigen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Doch sie widerstehen dieser Versuchung, weil sie erkennen, dass die Durchsetzung des Guten mit den Mitteln des Bösen nicht zum Paradies sondern zur Hölle auf Erden führen wird.
Auch Jesus will die Menschen nicht durch äußere Gewalt erlösen, sondern von innen, durch die Umkehr der Herzen. Er eignet sich nicht irdische Macht an, um seinen Willen durchzusetzen. Vielmehr setzt er dem Ungehorsam der Menschen seinen Gehorsam bis zum Tod am Kreuz entgegen. Er sühnt unsere Sünden mit seinem Blut. Dies ist der einzige Weg unserer Erlösung.
Irdische Macht ist notwendig, um das Zusammenleben der Menschen zu regeln, keine Frage. Aber sie hat ihre Grenzen. Und sie ist vor allen Dingen kein Mittel der Erlösung. Wenn die Politik in der UNO, der EU oder den Nationalstaaten versucht – und sei es in den allerbesten Absichten – das (vermeintlich) Gute zu erzwingen oder gar eine Art neue, bessere Menschheit ohne Gott zu schaffen, wird wieder einmal die Hölle auf Erden losbrechen.
Dies gilt es zu verhindern. Unser Weg kann nur die Bekehrung der Herzen sein. Was wiederum bedeutet, mit unserem eigenen Herzen zu beginnen. Möge diese Fasten-, Bedenk- und Umkehrzeit dazu beitragen, dass uns dies gelingt. So wünsche ich Ihnen und Ihren Familien für die kommenden Wochen Gottes reichen Segen.
Ihr
Joachim Kuhs