Liebe Mitbürger,

der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dauert nun schon ein volles Jahr. Zehntausende von Gefallenen auf beiden Seiten und wohl jeweils über hunderttausend Verwundete, dazu unzählige zivile Opfer, Millionen Menschen auf der Flucht, zerbombte Städte und eine zerstörte Infrastruktur hat dieser Wahnsinn bereits zum jetzigen Zeitpunkt gefordert.

Vor einem Jahr, zwei Tage vor dem russischen Überfall, habe ich an dieser Stelle meiner Sorge um die wachsenden Spannungen zwischen Russland und Ukraine mit dem „Kriegslied“ von Matthias Claudius Ausdruck gegeben. Die Verse des holsteinischen Dichters haben leider nichts von ihrer Aktualität eingebüßt, im Gegenteil.

https://www.facebook.com/joachimkuhs/videos/490018662718409/

In jenen Februartagen 2022 war die Provokation des Westens gegenüber Russland, ebenso wie die Entschlossenheit Putins zum Angriff schon mehr als deutlich spürbar. Der Angriff auf die Ukraine, das sei ausdrücklich betont, bleibt unentschuldbar! Doch auch der Westen trägt eine beträchtliche Verantwortung. Im Vorfeld hätte es mehr als genug Gelegenheit gegeben, auf eine Entschärfung des schon jahrelang schwelenden russisch-ukrainischen Konflikts hinzuarbeiten. Stattdessen heizte man den Konflikt noch an.

Dass der russische Angriff dem Westen nicht ungelegen kam, hat mir ein Bericht aus der Kanzlerrunde vom 25. Februar 2022 bewiesen. Zwei Teilnehmer berichteten entsetzt von der fröhlichen, nahezu aufgelösten Stimmung in der Runde ob des erfolgten Angriffs Putins!

Ein Jahr und Hunderttausende von Toten und Verwundeten später, ist auf beiden Seiten der Wille weiterzukämpfen ungebrochen. Es ist Wahnsinn und erinnert mich immer stärker an den Ersten Weltkrieg, als die kriegsführenden Parteien jahrelang lieber Millionen ihrer Söhne hinschlachten ließen als auch nur einen Zentimeter nachzugeben.

Dabei bräuchte die Ukraine nichts dringender als Frieden. Und zwar schnellstmöglich. Eine weit verbreitete Meinung in Deutschland ist, Putin müsse lediglich seine Truppen aus der Ukraine abziehen, dann wäre Frieden. Aber trifft das wirklich zu? Der ukrainische Präsident Selenskyj hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass er sich damit nicht zufrieden gäbe, sondern vielmehr Reparationen und Kriegstribunale gefordert. Um das durchzusetzen, müsste Russland jedoch völlig niedergeworfen werden. Und bevor das passierte, würde der Krieg eskalieren.

Umgekehrt kann auch nicht einfach eine ukrainische Kapitulation vor den russischen Forderungen die Lösung sein. Was es braucht, sind Verhandlungen. Und dazu braucht es wiederum den festen Willen zum Frieden.

Realistischerweise werden beide Seiten Abstriche von Maximalforderungen machen müssen. Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass Friedensschlüsse nur selten „gerecht“ in einem allumfassenden Sinne waren. Und schon häufig wurden nicht nur Kriege sinnlos weitergeführt sondern auch bereits errungene Erfolge wieder verspielt, weil eine Kriegspartei einen möglichen Friedensschluss als ungerecht empfunden hat. Doch eine perfekte irdische Gerechtigkeit gibt es nicht. Das mag traurig und frustrierend sein, aber wir haben uns nun einmal mit der Realität auseinanderzusetzen und nicht mit Wunschträumen.

Völlig verantwortungslos wird es, wenn die Politik den Menschen suggeriert, die Erfüllung solcher Wunschträume sei in greifbarer Nähe. Hier muss vor allen Dingen die EU radikal umdenken. An die Stelle der pathetischen Kriegstreiberei muss der entschlossene Wille zum Frieden treten.

Lassen Sie uns dafür eintreten und dafür beten.

Mit sorgenvollen Grüßen

Ihr

Joachim Kuhs