Sehr geehrte Abgeordnete,

als Deutsche und Jüdin, als Bürgerin und Mutter wende ich mich heute an Sie, die von ihren Völkern entsandten Repräsentanten im EU-Parlament. Mein Anliegen betrifft nicht die Dinge, mit welchen Sie sich vermutlich sonst herumzuschlagen haben: Zuschüsse und Umverteilungen, Forderungen von Lobbyisten und Verbänden, Kompetenzstreitigkeiten zwischen nationalen und EU-Behörden usw. Mein Anliegen betrifft Tieferes, Wichtigeres: die nackte Existenz.

Ja, es geht um meine Existenz und die meiner Kinder, meiner jüdischen Verwandten und Freunde. Um nichts weniger. Und daher wünsche ich Ihre Aufmerksamkeit.

Vor achtzig Jahren wurde mitten in Europa das Existenzrecht der Juden fundamental in Frage gestellt. Und nicht nur das. Unsere Feinde meinten es ernst. Sie machten ernst. Sie ermordeten in industriellem Maßstab Millionen von Männern, Frauen und Kindern aus einem einzigen Grund: weil sie Juden waren. In Deutschland, meiner Heimat, hatten extreme Judenfeinde die Macht übernommen. Und als sie sich anschickten Europa zu erobern, fanden sie dort nur allzu viele bereitwillige Helfer, wenn es darum ging, jüdisches Leben zu vernichten.

Es begann nicht mit dem Holocaust. Es begann mit Diskriminierungen und Schikanen gegen Juden. Und die nichtjüdische Bevölkerung stimmte dem zwar nicht immer zu, aber sie behalf sich mit vielen Ja-Abers: Ja, das ist schlimm, aber schließlich beuten jüdische Bankiers auch unser Volk aus. Ja, das ist schlimm, aber schließlich wüten in der Sowjetunion jüdische Kommunisten. Die Ja-Abers signalisierten den Nazis, dass sie von den Deutschen keinen nennenswerten Widerstand gegen ihren Vernichtungsfeldzug zu erwarten hatten.

Nach der Katastrophe des Holocaust fanden die Juden Zuflucht in ihrer uralten Heimat: dem neu gegründeten Staat Israel. Auch hier mussten sie von Anfang an gegen mächtige Feinde kämpfen, aber sie hatten nun gelernt, dass sie nur überleben werden, wenn sie sich zu wehren wüssten. Sie hatten gelernt, dass sie keine Gnade zu erwarten haben und sie hatten gelernt, dass sie im Zweifelsfall auf sich selbst gestellt sind. Die flehentlichen Bitten der von Hitlers Schergen mit dem Tod Bedrohten, ihnen in den Ländern der Alliierten Zuflucht zu gewähren, war nicht erhört worden. Sollten sie jemals wieder verfolgt werden, so wäre der einzige Zufluchtsort auf diesem Planten jener Staat, den sie selbst schaffen und selbst verteidigen müssen: der Staat Israel.

Ich gebe zu, dass dies für mich lange Zeit eine rein hypothetische Möglichkeit war. Ich glaubte nicht an eine neue Judenverfolgung in Europa. Ich genoss die Freiheit, die wir in Deutschland hatten, ich genoss den Aufbau jüdischen Lebens, der durch den Zuzug vieler deutscher Glaubensgeschwister aus der ehemaligen Sowjetunion ganz neuen Auftrieb bekam. Und in meiner Naivität glaubte ich den Versicherungen der Eliten, dass sie ihre Lektion gelernt hätten, dass sie das „Nie-Wieder“ ernst nahmen, dass die Reden an den üblichen Gedenktagen ernst gemeint seien.

Ich hatte lange Zeit nicht gemerkt, dass es den Eliten in Politik und Kirchen, in Verbänden und Medien gar nicht um die Juden ging, wenn sie ihre Krokodilstränen ob des Holocaust vergossen. Es ging ihnen nur um sich selbst. Sie wollten sich gut fühlen. Sie kämpften gegen Hitler umso intensiver, je länger er tot war. Sie glaubten Widerstandskämpfer zu sein, indem sie Straßen umbenannten oder Stolpersteine verlegten. Sie instrumentalisierten die toten Juden im Kampf gegen ihre politischen Gegner. Aber sie interessierten sich nicht für uns lebende Juden. Sie wollten sich gut fühlen. Und sie fühlten sich sehr gut.

Sie waren von ihrem Gutsein so berauscht, dass sie Tür und Tor für Millionen Einwanderer öffneten, die den Antisemitismus schon mit der Muttermilch aufgesogen haben. Die schon als kleine Kinder im Hass auf Israel und alles Jüdische erzogen worden waren. Sie waren und sind immer noch fest überzeugt, dies sei Teil ihres heldenhaften Kampfes gegen den toten Hitler. Sie waren so berauscht von ihrem eigenen Gutsein, dass sie gar nicht merkten, welch ein Widerspruch es ist, im Namen des „Nie-Wieder-Holocaust“ Menschen nach Europa zu lassen, welche Hitler für seinen Vernichtungsfeldzug gegen die Juden bewundern. Und welch ein Widerspruch es ist, Deutsche, die gegen diesen massenhaften Zuzug sind, als „Nazis“ zu bezeichnen.

Wir Juden fühlen uns in Europa nicht mehr sicher. In Frankreich gibt es schon lange No-Go-Areas für Juden. Immer mehr jüdische Bürger verlassen ihre französische Heimat. In Deutschland, dem Ursprungsland des Holocaust können sich Juden in bestimmten Stadtvierteln nicht mehr als solche zu erkennen geben. Nun werden sogar Häuser, in denen Juden leben mit dem Davidsstern markiert und Judenfeinde dürfen auf den Straßen ungestraft ihren Hass ausleben.

Die einst rein hypothetische Möglichkeit des letzten Zufluchtsortes Israel wird auch für mich mittlerweile zu einer ernsthaft durchdachten Option. Und was muss ich sehen? Aus der EU heraus, von denen, die das Nie-Wieder wohlfeil auf ihren Lippen tragen, werden diejenigen unterstützt, die auch diesen letzten Zufluchtsort vernichten wollen!

Ja, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, aus Ihren Reihen und aus den Reihen der EU-Kommission erhalten die Judenfeinde millionen- und milliardenfache Unterstützung. Sie überweisen ungeheure Summen an Regime, welche den Staat Israel vernichten wollen. Angeblich ist das EU-Geld nur für humanitäre Zwecke. Haben Sie sich eigentlich einmal gefragt, weshalb die humanitäre Lage im Gaza-Streifen so prekär ist, trotz der Millionen und Milliarden Euro aus der EU? Haben Sie sich einmal gefragt, weshalb in Gaza die Versorgung mit Strom, Trinkwasser, Lebensmitteln und medizinischen Gütern defizitär ist, die militärische Infrastruktur der bis an die Zähne bewaffneten Hamas jedoch ausgezeichnet? Interessiert es Sie überhaupt, was mit dem Geld Ihrer Steuerzahler passiert?

Sie lassen es zu, dass die mühsam aufgebaute Existenz jüdischen Lebens in Europa fundamental bedroht wird. Und Sie fördern sogar diejenigen, welche die Existenz unserer letzten Zufluchtsstätte bedrohen. Unsere Feinde im Nahen Osten und ihre Verwandten und Glaubensgenossen in Europa meinen es ernst: Sie wollen Israel vernichten, sie wollen Juden töten, weil sie Juden sind. Sie meinen es genauso ernst, wie es unsere Feinde damals unter dem Hakenkreuz ernst gemeint haben.

Und mit Entsetzen vernehme ich wieder die Ja-Abers, der europäischen Eliten: Ja, aber die israelische Armee, ja, aber der israelische Staat… Ich bin es so leid. Und ich rufe, nein, ich schreie Ihnen zu: Es geht um unsere Existenz! Und es geht auch um Ihre Existenz, um die Existenz Europas, so wie wir es kennen.

Glauben Sie im Ernst, die fanatisierten Massen aus den muslimischen Einwanderermilieus werden sich beruhigen, wenn Israel irgendwelche faule Kompromisse eingeht? Glauben Sie im Ernst, diese Massen waren zum letzten Mal auf der Straße, jetzt, da sie ihre Macht und die geringe Widerstandskraft der europäischen Staaten gespürt haben? Glauben Sie im Ernst, es ginge denen nur um die Juden oder nur um einen Konflikt im Nahen Osten?

Nein, diese Massen werden immer dreister werden in ihren Forderungen und sie werden sich nehmen, was sie wollen, auch mit Gewalt. Sie werden nicht ruhen, bis sie Europa zu einem Abziehbild ihrer Heimatländer gemacht haben.

Ich will das nicht. Ich will hier leben. Als Deutsche, als Jüdin, als Europäerin. Ich will, dass meine Kinder, Enkel und Urenkel hier in Frieden und Sicherheit leben können. Der Staat Israel ist für mich nur die letzte Option, das Netz, das mich auffängt, wenn Europa fällt. Und ich werde – zur Not auch mit der Waffe in der Hand – meinen Beitrag leisten, damit Israel nicht fällt.

Doch ich appelliere an Sie, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Öffnen Sie Ihre Augen! Erkennen Sie, dass Israel und Europa natürliche Verbündete sind, dass wir gemeinsame Feinde haben, die alles ablehnen, was uns ausmacht: unsere Lebensweise, unsere Kultur, unsere Religionen, unsere Werte.

Der Staat Israel ist gewillt, sich zu verteidigen. Sind Sie gewillt, Europa zu verteidigen?

Mit dem Appell an Ihre Verantwortung gegenüber Ihren Wählern, Ihren Kindern und Enkeln verbleibe ich

NN