Liebe Mitbürger,

zu dem angeblich geplanten Staatsstreich sogenannter Reichsbürger, der unter massivem Einsatz von 3.000 Polizeibeamten angeblich gerade noch verhindert werden konnte, wurde in den letzten Tagen viel gesagt und geschrieben. Ich werde im Folgenden daher nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern einen Blick auf die tieferen Strukturen der Auseinandersetzung zwischen amtierender Staatsmacht und Reichsbürgerbewegung werfen.

Zunächst: Die „Reichsbürger“ sind eine völlig irregeleitete Bewegung mit abstrusen Ideen. Nun kann auch ein kleiner Haufen von Spinnern sehr viel Schaden anrichten, wenn diese Leute bewaffnet sind oder über Kampferfahrung verfügen. Daher ist es angebracht, Personen, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie Gewalt – erst recht potentiell tödliche Gewalt – anwenden wollen, vorzeitig aus dem Verkehr zu ziehen.

Ob dies bei den aktuell Verhafteten notwendig war, wird sich zeigen. Dass aber niemals die Gefahr eines realen Putsches bestand, ist jedem klar, der sich die Zahl der Verdächtigen, die gefundenen Waffen und die Größe ihres Netzwerks vor Augen stellt. Die Tatsache, dass fast sämtliche großen Medien schon vorab über den Zugriff informiert waren und wie von einer Pressetribüne herab berichten konnten, zeigt, dass die leitenden Behörden selbst die tatsächliche Gefahr nicht allzu hoch einschätzten.

Weshalb dann dieser Aufwand und weshalb das mediale Begleitgetöse? Nun, die „Reichsbürger“ eignen sich hervorragend als nützliche Idioten für das politische Establishment. Ich wage sogar zu behaupten, sie sind eine Art Abziehbild der Herrschenden mit umgekehrten Vorzeichen.

Denn die Reichsbürgerbewegung und ihr Umfeld neigen dazu, legitime und notwendige Kritik an bestehenden Verhältnissen ins Groteske zu steigern. In ihren Augen werden unfähige oder ideologisch verblendete Politiker zu Agenten dunkler Mächte, wird eine falsche Politik zum Ausweis eines falschen „Systems“, stellen Korruption und Selbstbedienung von Politikern den Staat als Ganzes in Frage. Die „Reichsbürger“ erklären gewissermaßen die Bundesrepublik zum Feind und sehen sich selbst als außerhalb dieses „Systems“ stehend.

Die Regierung nimmt diesen Ball gerne auf, denn ihr geht es genau darum: Kritik an der konkreten Politik in „Hetze“ umzudeuten, Kritiker zu Verfassungsfeinden zu erklären, aus der Ablehnung unfähiger Politiker eine Ablehnung der staatlichen Institutionen selbst zu machen. Mit anderen Worten: die etablierten Parteien und ihre Vertreter setzen sich zunehmend mit dem Staat gleich. Und in diesem Punkt stehen sie den „Reichsbürgern“ näher als beide Gruppen zugeben jemals zugeben würden.

Und damit wird auch klar, wohin die aufgeblasene Aktion gegen die „Reichsbürger“ zielt: Konservative Kritik soll mundtot gemacht, alternative Politikentwürfe delegitimiert und Kritiker, Wähler und die politische Konkurrenz eingeschüchtert werden.

Doch das wird ihr nicht gelingen. Denn wir wissen sehr wohl, zwischen gutem Staatsaufbau und schlechten Politikern, zwischen Bejahung unserer Verfassung und Ablehnung des parteipolitischen Missbrauchs von Verfassungsschutz und anderen Behörden zu unterscheiden.

Wir kämpfen für die Wiederherstellung von Rechtsstaat und Demokratie. Nicht wie das Häuflein Reichsbürger mit spinnerten Umsturzphantasien sondern mit der Waffe des Arguments und mit der Überzeugungsfähigkeit eines hervorragenden politischen Programms, auch nicht in geheimen Chatgrüppchen sondern offen um die Zustimmung der Bürger werbend.

Dafür stehe ich ein.

Herzliche Grüße

Ihr

Joachim Kuhs